Chefzahlen im Autohaus damals - Wirklichkeit und Wunsch



Welche Zahlen waren vor 20 Jahren richtig und wichtig für den Kfz-Betrieb. Ein Bericht aus dem Jahr 1995 versucht dies zu klären 

Die Glöckler-Gruppe in Frankfurt umfaßt 9 VAG-Betriebe mit 570 Mitarbeitern, die in den Jahren 1992 und 1993 im Schnitt 7000 Neu-und 6000 Gebrauchtwagen verkauft haben. Der EDV-Leiter dieser Betriebe hat er sich intensiv mit der Optimierung der betrieblichen Abläufe beschäftigt. Dabei bediente er sich schon immer der EDV als dem entscheidenden Mittel. Dr. Kazmirek verknüpfte den EDV-Zustand im Unternehmen auf engste mit den Ergebnissen aus seiner Datenbank und den aussagefähigen Chefzahlen.


Im Juni 1994 hielt Dr. Kazmirek, der Geschäftsführer der Otto Glöckler Automobil-Verkaufs-GmbH, bei den europäischen Automobil Händlertagen Wiesbaden einen beachtenswerten Vortrag unter dem Titel „Controlling im Autohaus, Wirklichkeit und Wunsch". 

Als fabrikatsgebundene Unternehmen haben auch die Glöckler-Unternehmen die Entwicklungen der EDV innerhalb des VW-Konzerns mitgemacht. Der dezentralen EDV-Lösung mit einer zentralistischen Unternehmenskultur folgte eine zentrale EDV-Lösung mit einer gewünschten dezentralen Verantwortung in den Betrieben. Zur Zeit sind an dem zentralen System circa 200 Bild-schirm-Arbeitsplätze angeschlossen. Leider war die Auswahl der passenden Anwendersoftware stark eingeschränkt, da man, wie auch bei anderen Herstellern, auf eine 15 Jahre alte Software zurückgreifen mußte. Dr. Kazmirek machte in seinen Referat eine ähnliche Feststellung, die jeder Kenner de: Szene feststellen muss: Die Anwendersoftware hinkt der technischen Entwicklung um Jahre hinterher. Dr. Kazmirek äußerte sich in seinem Referat zum vorgefundenen Ist-Zustand seiner Software wie folgt: Angesichts einer Basissoftware die geeignet ist, Bestände zu verwalten, komfortabel Rechnung zu schreiben und der fiskalischen Bedürfnissen in Form einer verlässlicher Buchhaltung genügt, war es eine mutige Entscheidung 

Verlangt man nämlich als natürliche Person Herr Jedermann Informationen, die über die vom Hersteller gelieferte kurzfristige Erfolgsrechnung hinausgehen und die auch noch schnell oder in flexibler Form und Abfragen verfügbar zu sein haben, so ist die Anwendungssoftware schnell am Ende. Eine Tatsache, die sich quer durch fast alle Anwendungen zieht. Vor diesen Problemen steht jeder, der ein sinnvolles elektronisches Kontrollinstrument schaffen will. Die Versprechungen der Softwareanbieter verschleiern hier eigentlich nur die wirklichen Probleme. Die Schaffung von offenen Systemen mit der Übernahme von Daten in andere Anwendungen steckt oftmals noch in den Kinderschuhen. Zwar wird schnell versprochen, dass gewünschte Auswertungen mit Hilfe von Standardsoftware in Windeseile fertig sind. Wenn es aber zum Schwur kommen soll, stellt sich oftmals heraus, dass die Verträge die Tinte nicht wert sind, mit der sie geschrieben wurden. Die Firma Glöckler machte die Erfahrung, dass ein gekauftes marktgängiges Management-Information- System VIIS nicht verwendungsfähig war und dass es mit den vorhandenen Gegebenheiten nicht möglich war, das Prinzip eines sich selbst informierenden Geschäftsleiters zu verwirklichen. Diese Erfahrungen muss sicherlich auch jeder andere Kfz-Unternehmer machen, wenn er sich nicht mit den gewünschten Standardauswertungen zufriedengeben will und nicht in der Lage ist, sich selbst eine Stelle im Betrieb zu schaffen, die ihm die Daten in der gewünschten Form zur Verfügung stellt. Es stellt sich die berechtigte Frage, wie viele Informationen ein Kfz-Unternehmen im Grunde braucht, um optimal geführt zu werden. 

Dr. Kazmirek übertrug diese Frage in seinem Refrat auch auf den Begriff EDV und Controlling. Dabei sieht er die EDV-Anbieter als einen Ratgeber, der nach der Devise arbeitet: Operation gelungen, Patient tot. Viele der Anwender verfallen dem Trugschluß, dass mit dem Kauf eines EDV-Systems nach Vorgaben der Hersteller alle geschäftlichen und organisatorischen Missstände beseitigt sind. Im Grunde sind damit die eigentlichen Übel weder erkannt, geschweige denn behoben. Das gleiche gilt jedenfalls auch für die Zahlen, die dem Unternehmen zur Entscheidungsfindung vorliegen. Nicht die Quantität der Zahlen und Informationen ist von entscheidender Bedeutung, sondern deren Qualität. Wie muss eine Information oder eine Software im Autohaus beschaffen sein, damit ein gesetztes Ziel auch wirklich erreicht wird? Wobei der Referent nicht das Planziel des Herstellers meinte. Die oben genannte Frage ist das Kernproblem überhaupt, das nur in Ansätzen von einem Außenstehenden gelöst werden kann. Die Lösung liegt im Betrieb selbst, da nur er selbst eine entsprechende Strategie formulieren kann. Eine der wichtigsten Aussagen ist auch in der täglichen Praxis immer wieder festzustellen, wenn Dr. Kazmirek behauptet, dass es dem Kfz-Handwerk fehlt, seine Ansprüche an die EDV, die Software und an das Controlling selbst zu definieren und anschließend gegenüber den Anbietern auch zu formulieren. 

Nach den Ansichten von Dr. Kazmirek tut sich da die strategische Lücke auf, die man ausfüllen muss, um zu einer subjektbezogenen Software zu kommen. Er geht darüber hinaus noch einen Schritt weiter: ein wichtiger Aspekt, der für die Entwicklung einer Anwendersoftware immer berücksichtigt werden muss. Jede Software sollte auch als Führungsinstrument dienen, das die psychologischen Momente im Betriebsablauf berücksichtigt. Dr. Kazmirek schildert in seinem Referat anhand des Entlohnungssystems im Gebrauchtwagenverkauf, wie man eine zielgerichtete Zahl im Betrieb einsetzen kann. Und zwar stellte sich für die Firma Glöckler die Aufgabe, eine umsatzprovisionsorientierte Bezahlung so umzustellen, dass auch die Standzeiten der gebrauchten Fahrzeuge mitberücksichtigt wurden. 

Es ging darum, die Standzeit der Fahrzeuge zu vermindern, ein gerechtes, für den Mitarbeiter durchschaubares Entlohnungssystem und dem verantwortlichen Leiter ein einfaches Steuerungsmittel an die Hand zu geben, das es erlaubt, das Budget für den Verkauf einzuhalten und alle Bedingungen vor Ort zu lösen. Diese Problemstellung konnte nur unter Berücksichtigung auch der psychologischen Auswirkungen eines solchen Systems gelöst werden. Aufgrund von langen Überlegungen ist es Dr. Kazmirek und seinem Entwicklerteam gelungen, die Eigeninteressen des Verkäufers, die Interessen des Unternehmens und alle Informationen so zu kombinieren, dass unter dem Strich ein Erfolg für das Unternehmen entstanden ist. 

Die für den Gebrauchtwagenbestand verantwortlichen Mitarbeiter sind nun ständig über die tatsächlichen Kosten ihres Bestandes informiert -ein weiteres Ergebnis eines neuen Provisionssystems. Für die Gebrauchtwagenabteilungen aller Betriebe sind jederzeit die Bruttogewinne, die Instandsetzungskosten, die Zinsen und Deckungsbeiträge immer aktuell vorhanden und verknüpft mit den Standzeiten auf den Bildschirmmasken dargestellt. Aufgrund dieser weiten Überlegungen spricht im Hause Glöckler keiner von gebrauchten und neuen Fahrzeugen, sondern nur von Fahrzeugen mit und ohne Standzeiten. Der Vergleich am Bildschirm der angeschlossenen Unternehmen dient als Steuerungsinstrument für die gesamte Mannschaft. Die Einführung der Zeit als einer weiteren wichtigen Zahl für die Unterhehmensführung wurde Messlatte für die Beurteilung des betrieblichen Erfolges neben der Qualität der Arbeit. Dieses selbstentwickelte Softwaresystem stellt die Zahlen zur Verfügung, die wirklich gebraucht werden und ist ein lebendiges Instrument zur Steuerung des Unternehmens sind

 Dabei sind die Interessen der Lieferanten und Hersteller natürlich nicht  deckungsgleich. Die Folgerungen und Schlüsse für den eigenen Betrieb können nur sein, dass es für jeden Betrieb notwendig ist, seine Chefzahlen aufgrund von eigenen Überlegungen selbst zu definieren. Diese Wünsche sind mit dem Lieferanten der EDV festzulegen und auch dort abzufordern. Zahlen, die man nicht auf diese Wünsche anpassen kann, sind keinen Pfennig wert. Wer z. B. seine Bestellformel nicht ändern kann, wird nie eine ordentliche Disposition bekommen. Dem Lageristen werden oftmals Auswertungen zur Verfügung gestellt, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. 

Und noch so lustige Namen (Renner-Penner-Liste) können die Geisteslosigkeit nicht verbergen, mit denen sie gemacht wurden. Anstatt dem verantwortlichen Mitarbeiter Instrumente an die Hand zu geben, mit dem er sich seine Auswertung selbst erarbeiten kann und ihm die Ausbildung zu gewähren, um dies auch. leisten zu können, setzt man, wie Dr. Kazmirek zu recht behauptet, allzu oft auf den letzten technischen Schrei, der von der vorhandenen überalterten Software nicht bedient werden kann. Nur eine moderne Datenbanktechnik kann ihnen auch Zahlen liefern, die dann in anderen Programmen zu Chefzahlen nach Ihren Wünschen verarbeitet werden können. Glauben Sie ja nicht, dass diese Wünsche so einfach wohl über Nacht aus den Ärmeln geschüttelt werden können. Nein, eine sinnvolle Auswertung kostet ihren Preis und mehr noch ein umfassendes, langes und gemeinsames Nachdenken über die Ergebnisse, die man haben möchte. Bedenken Sie auch immer: Welche Wirkungen möchte ich mit dem gewünschten Zahlenmaterial erzielen? Denn nicht jedes Zahlenmaterial birgt auch das Ergebnis, das man sich erhofft. Es ist an der Zeit, dass sich auch die Softwarehersteller den Auswirkungen ihres Tuns bewusst werden. 
Erwin J. Füßl, freier EDV-Berater für Kfz-Betriebe 1995





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